Fake News, Skandalisierung, Emotionalisierung, der Rückzug hartnäckiger Recherchearbeit zugunsten schneller Klicks. Ich kenne Medien zu gut, um sie unkritisch zu sehen oder mir nicht um die Zukunft der Medienberichterstattung und um den offenen Diskurs in offenen Gesellschaften Sorgen zu machen. So kritisiere ich unter anderem das, was ich «weiche Zensur» nenne (vgl. <Darwin schlägt Kant>).
Sie ist eine willkommene Angriffsfläche für Populisten und Extremisten jeglicher Couleur, um zu hetzen, zu verkürzen und die Gesellschaft zu polarisieren. Aber wie immer gibt es neben dem Schatten auch das Licht und so auch in der Medienberichterstattung solche und solche. Man muss nicht auf die weltweit besorgniserregende Zunahme totalitärer Systeme verweisen, um zu wissen, wie wertvoll trotz aller Probleme freie Medien sind. Denn ohne engagierte Journalisten würden viele Themen im Dunkeln bleiben und Missstände ungehindert weiter vor sich hin modern und zu Unrecht, Machtmissbrauch und Opfern führen.
Zwei von vielen Beispielen solcher Themen sind:
(1) die Ausbreitung gefährlicher Theorien und Fehlbehandlungen in der Psychotherapie von meist ohnehin verletzlichen PatientenInnen.
Christopher Piltz (Spiegel), 10.06.2023
(2) Ein anderes Thema sind jahrzehntelang tolerierte, bagatellisierte und vertuschte sexuelle Übergriffe in kirchlichen Strukturen, insbesondere in der katholischen Kirche. Man kann sich keine andere Institution vorstellen, die mit einem gleichen Ausmaß brutaler Sexualstraftaten in ihrer Geschichte ungehindert weitermachen kann, ohne grundsätzlich in Frage gestellt zu werden. Selbstverständlich gibt es auch in der Kirche viele Menschen, die entsetzt sind, die schonungslose Aufklärung und einen verstärkten Schutz zukünftiger potentieller Opfer fordern. Demgegenüber steht aber ein zögerliches Larvieren einer Organisation, die oft nach dem Prinzip handelt: «Wasch mich, aber mach mich nicht nass.»
Marlon Gego & Oliver Schmetz (Aachner Zeitung), 05.06.2023
In beiden Themen reicht es bei weitem nicht aus, wenn Journalisten darüber berichten und sich nicht durch dürre Pressestatements, juristische Drohungen und Ausflüchte abschrecken lassen. Es reicht nicht, aber es ist ein unverzichtbares Element für eine Aufarbeitung, die dann auch zusätzlich auf einer fachlichen Ebene, politischen und je nach Situation auch juristischen Ebene erfolgen muss.
Deswegen muss man Christopher Piltz (Spiegel) und Marlon Gego & Oliver Schmetz (Aachner Zeitung), stellvertretend für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, danken, nicht locker zu lassen und den Finger - ohne undifferenzierte und verkürzende Skandalisierung - in die offene Wunde zu legen.
Yorumlar